Musik als psychologische Waffe / Vereinheitlichung und Manipulation

In meinem ersten Blog Eintrag soll anhand eines exemplarischen Rückgriffs auf einen Text Theodor Adornos aufgezeigt werden, dass (amerikanische) Musik schon in den 30er Jahren mehr oder weniger die Funktion einer psychologischen „Waffe“ annahm. Auch wenn sich die Informationen größtenteils auf das Hit-Radio beschränken, so sollten sie doch nachdenklich stimmen – einerseits, weil das Radio nach wie vor ein Medium mit großer Reichweite ist, andererseits, weil die geschilderten Mechanismen und Prinzipien sich analog auf andere Bereiche der Musikindustrie übertragen lassen.

DAS PRINCETON RADIO PROJECT

Theodor W. Adorno, ein bekannter Philosoph, Musiktheoretiker und Komponist beschäftigte sich intensiv mit Radiomusik – im Rahmen seiner Mitarbeit im Princeton Radio Project. Diese von der Rockefeller Foundation finanzierte empirische Sozialforschung, befasste sich von 1937-1942 mit den Auswirkungen der Massenmedien auf die Gesellschaft.

Adornos drei Studien für das Princeton Radio Project waren aber nicht gerade das, was man sich vorgestellt hatte. Er stand unter dem Druck der Regierung, zu Kriegszwecken nützliche Erkenntnisse über die Hörgewohnheiten der Menschen zu gewinnen. Doch Adornos Arbeit artete in einer heftigen Kritik des amerikanischen Radios aus.

Deswegen verließ er letztlich, wegen grundlegender Meinungsverschiedenheiten, das Princeton Radio Project.

Ph. D. Susan Cavin von der Universität New York gibt uns Einblick in Adornos Studien:

Adorno fand über die Hitparade folgendes heraus: wurde ein populäres Lied immer und immer wieder im amerikanischen Radio gesendet und angepriesen, rief es vertraute Muster ins Gedächtnis. Dieses Muster ersetzte das Denken. Mit den wenigen Tönen eines Jingles … konnten Werbeleute den gewünschten Effekt erzielen: „Oh, da kommt meine Lieblingsendung, ich lass‘ besser alles stehen und liegen und höre meine Sendung an.“

[…] Adorno ging davon aus, dass Werbe-Jingles und permanentes Promoten einiger weniger Lieder in der Hitparade, ‚den Hörer mit musikalischen Stereotypen infantilisierte.‘ (auf das Niveau eines Kindes degeneriert; Anm. des Verf.)

Hans Speiers gelangte zu ähnlichen Schlussfolgerungen in Bezug auf das Nazi Radio: Vereinfachung und Wiederholung waren essentiell für die Radio Propaganda. Adorno dachte: ‚… das totalitäre Radio war genau dieser Aufgabe zugeordnet… gute Unterhaltung und Ablenkung bieten…‘

[…] Er war überrascht, dass das amerikanische Radio die gleiche Funktion erfüllte: die Hörerschaft von der politischen Realität abzulenken.

[…] Er beobachtete, wie bekannte Songs in der Hitparade durch einen Prozess der Steigerung und Wiederholung, auf mysteriöse Weise in Konsumwaren-Fetische verwandelt wurden.

… Weil Massenkunst per Definition auch massenproduziert ist, wird der Hörer dazu verleitet zu glauben, die schöne Sängerin singt „Especially for You“ – während sie sich eigentlich an jeden in der anonymen Masse richtet. Die Wiedererkennung von Vertrautem war wesentlich für das Hörverhalten der Masse. … War eine Formel erst einmal erfolgreich, pries die Industrie das Gleiche immer und immer wieder an. Als Ergebnis wurde Musik zu einer Art gesellschaftlichem Zement, der durch Ablenkung, verdrängte Bedürfnisbefriedigung und die Intensivierung von Passivität (beim Hörer) wirkte.

… Adorno war der Meinung, dass der kommerzielle Rundfunk „standardisierte“ Pop Musik benutzte, um Individuen in Pawlowsche Konsumenten-Hunde zu verwandeln!

Nicht länger in der Lage echte Musik zu erkennen, akzeptierten die Hörer das, was man ihnen vorsetzte – eine verdünnte Plastik-Berieselung.

Unweigerlich fühlt man sich an die moderne Chartmusik erinnert – vereinfachte Musik auf Kinderniveau, die sich der immer wieder gleichen (auch produktionstechnischen) Formeln bedient. Ein beliebtes Stilmittel ist die auffällig häufige Verwendung von inhaltslosen Wortfetzen und Silben im Chorus tausender Hits, vielleicht um die sprach- und vernunftbasierte linke Gehirnhälfte zu umgehen und den Hörer auf einer mehr instinktiven, kindlichen Ebene anzusprechen. Beispiele: „Ella, Ella, Ella, E, E“ (Rihanna – Umbrella); „Ma Ma Ma Ma“ (Lady Gaga – Poker Face); „Oh Oh Oh Ohooo“ (Taio Cruz – World In Our Hands); „We’re going A, A, A, Up“ (Loreen – Euphoria)

Aber das ist nicht das einzige Stilmittel – auch bestimmte Soundeffekte, die repetitive Verwendung bestimmter Schlüsselbegriffe, die offenbar eine besonders starke psychologische Wirkung auf den Hörer haben, ist beliebt: „tonight“, „put your hands up (in the air)“, „dance“, „on the floor“. Man wird buchstäblich „für dumm verkauft.“

An dieser Stelle möchte ich einschränkend darauf hinweisen, dass die Musik eines guten Pop-Songwriters oft von Natur aus solche Eigenschaften aufweist. Vielleicht, ohne dass er sich dessen bewusst ist. Doch erstens komponieren und texten die meisten Künstler/innen nicht mal selbst, diese Aufgabe wird an Songwriter und Producer delegiert, die regelmäßig für die Industrie arbeiten – und zweitens ist der inflationäre Einsatz bestimmter Stilmittel teilweise das Ergebnis gezielter Markt- und Sozialforschung der Industrie. Denn prinzipiell lebt das heutige System von Gewohnheitseffekten beim Hörer, die systematisch ausgenützt werden – darum ging es Adorno.

Aber zurück zum Princeton Radio Project:

Adorno sah Radio Musik als ein Mittel der gesellschaftlichen Kontrolle an.

‚Populäre Musik ist objektiv unwahr und hilft das Bewusstsein derer die ihr ausgesetzt sind, zu verstümmeln.‘

[…]

Eines seiner zentralen Argumente war, dass Musik das Bewusstsein beeinflusst und ein Mittel zur gesellschaftlichen Organisation und Kontrolle ist.

[…]

Der Prozess der Kommerzialisierung von Musik, machte Individuen anfällig dafür, durch egal was ihnen der Koch auch servierte, vereinnahmt zu werden – solange es richtig gewürzt war.

Während wahre Musik dem Hörer beibrachte, durch Herausforderung höherer Geisteskräfte unlogische Widersprüche auszumachen, lehrte falsche Musik dem Hörer, wie er genießen und sich entspannen kann, … und wie er Gefallen findet an Verlässlichkeit, Wiederholung von fetischisierten Objekten… falsche Musik lehrte die Fähigkeit sich anzupassen und sich mit dem zu begnügen was einem vorgesetzt wird.

Adorno glaubte, dass diese Art von Passivität die Bedingungen schuf, die einer autoritären Herrschaft dienlich sind.

Musik war mit gesellschaftlicher Kontrolle auf diese Weise verknüpft: bestimmte Arten von Musik machten die Menschen passiv. „Standardisierte Musik verwandelte Individuen in ein passives, stilles Publikum – zerstreut durch Ablenkungen.

Adorno hatte all das schon einmal in Deutschland gesehen und war besorgt, dass heimtückisches totalitäres Radio die U.S. Demokratie vernichten könnte.

Er verwendete Musik als Barometer für die Menge an demokratischen oder totalitären Tendenzen in einer Gesellschaft. Damit eine Demokratie funktionieren kann, bedarf es einer Bevölkerung die denkt. Totalitarismus braucht Menschen die vergessen wie man denkt und junge Leute die es gar nicht erst lernen.

Für Adorno schult wahre Musik den Geist, spielt mit Widersprüchen und regt zum Nachdenken an.

Voraussetzungen für eine gesunde Demokratie. Deswegen hielt er die musikalische Erziehung in der Schule für unabdingbar.

[…]

Der Hit im Radio – auch wenn er von einem Menschen komponiert und getextet wurde – entwickelt ein Eigenleben und wird größer als das Leben. Der Hit wird plötzlich ein Fetisch, geschätzt wie ein religiöses Relikt, um letztlich vom launenhaften Fan zugunsten des nächsten Hits ausrangiert zu werden.

‚Der Fetischcharakter von Musik bleibt unbemerkt durch die Identifikation des Hörers mit dem Fetisch. Diese Identifikation gibt dem Hit von vorneherein Macht über ihre Opfer.‘

Adorno fand heraus, dass … populäre Musik ‚den Massenwaren-Charakter der modernen Gesellschaft widerspiegelte, den Trend in Richtung einer Monopolbildung in allen Bereichen der Gesellschaft, einschließlich der Medien; sowie das Verhalten der Gesellschaft, auf jede Gefahr für den Status Quo derselben, durch Festigung der konformistischen Elemente zu reagieren.‘

Kommerz-Hörgewohnheiten“ zerstörten sowohl das Individuum als auch die Musik.

‚Die Liquidierung des Individuums ist das wahre Erkennungsmerkmal des Konsumhörens.‘

Die Persönlichkeit des Hörers wird ausgehöhlt und von einer „Pseudo-Individualität“ ersetzt, die auf den Gewohnheiten des Massenkonsumenten basiert.

Für Adorno ‚zielt die Standardisierung dieser Musik auf standardisierte Reaktionen ab… die Produzenten und Händler von Pop Musik … haben ein System der konditionierten Reflexe im Hörer aufgebaut.

… Das Pseudo-Ich wird mit echter Individualität verwechselt.

Es sollte nicht vergessen werden – das Radio Project fand in den späten 30er und frühen 40er Jahren statt. Eine interessante, zutreffende Vorausschau auf unsere Zeit. Monopolbildung? Definitiv. 3 große Plattenfirmen (Universal, Warner und Sony) teilen sich ca. 87 % des gesamten Weltmarkts. Pseudo-Individualität? Ganz sicher. Egal ob wir von Pop, Indie-Rock, Metal, Electro oder modernem Schlager sprechen – die Fans und Rezipienten der jeweiligen businesstypischen (Konzept-) Sparten teilen nicht nur den selben Musikgeschmack, sie tragen oft auch die gleiche Kleidung, nutzen die gleichen Medien, haben ähnliche politischen Ansichten und glauben dabei ernsthaft, sie wären nicht „mainstream.“ Es gibt sicher ein halbes Dutzend solcher Kategorien, doch eigentlich müsste es fast so viele Kategorien geben, wie es Menschen gibt, Gemeinsamkeiten und Überschneidungen sollten eher zufällig auftreten. Doch einige Marketing-Schergen dieser Welt, evozieren den beschrieben Homogenisierungs-Wahn offenbar absichtlich. Pop- und Jugendkultur, Modetrends etc. entstehen immer weniger „von unten“, sondern werden „von oben“ aufoktroyiert. Das schwindende Partizipationspotenzial und die Entmündigung des Individuums die damit einhergeht, ist sicher ein Merkmal der Postdemokratie und des Massenzeitalters, das u.a. Soziologen und Philosophen noch lange beschäftigen wird. 

Weiter im Text:

Adorno: ‚berühmte Leute sind nicht die einzigen Stars. Auch die Werke (die Musikwerke; Anm. des Verf.) selbst wurden verehrt. Ein Pantheon der Verkaufsschlager baute sich auf. Die Programme wurden einseitiger…ein fataler Zyklus: das Vertrauteste ist das Erfolgreichste und wird dementsprechend immer wieder gespielt und dadurch noch vertrauter gemacht.‘

[…] Ein bevorzugtes Thema Adornos waren die Musikdirektoren der Stars, die er mit Zirkusdirektoren verglich.

Er war der Meinung, dass die Musikdirektoren und Sänger die von der Werbeindustrie ausgewählt wurden um große Radiostars zu werden „zweitklassig“ waren – verkommene, narzisstische und wichtigtuerische Entertainer. Damit der Song, der Musiker oder der Musikdirektor erfolgreich werden konnten, mussten sie ständig gespielt werden, unter Ausschluss aller anderen, die nicht gesendet werden durften. Entsprechend sank die Anzahl an unterschiedlichen Liedern; so auch die Anzahl und Vielfalt der Musiker, die gesendet werden durften. Die Leute, die die Sendezeit beherrschten waren nicht die Besten, sonder vielmehr jene, die den meisten Menschen am wenigsten unangenehm waren.

Es ist zweifelsohne so, dass zum Erfolg in der Musikindustrie meist mehrere Faktoren zusammenkommen müssen – eine hochwertige Produktion etwa, viel Marketingbudget, ein gut aussehender Interpret, oder auch „Können“. Der Punkt ist aber: das in den Augen der Masse den Erfolg legitimierende musikalische Vermögen des Interpreten ist nur ein nettes Extra  – aber eine echte Begabung ist nicht wesentlich. Die Industrie braucht Clowns, die sich ohne Scham auch als solche inszenieren lassen und die den von den Machern im Hintergrund ausgespuckten musikalischen Einheitsbrei widerstandslos nach außen vertreten. „Künstler“ wie Katy Perry, Nicki Minaj, Lady Gaga, Eminem, Sido, oder !@#$%^&*, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Eine kann richtig gut singen, der Andere kann praktisch nichts. Entscheidend ist, dass sich fast alle zu Kunstfiguren stilisieren lassen und den Support einer kapitalstarken Maschinerie genießen, die globalen Einfluss hat und die sich Medienpräsenz und damit Erfolg, erkauft.

Mancher Leser wird einwenden, dass Adorno ja ein großer Jazzfreund war, dementsprechend seine „intellektualistische“ Kritik also in Bezug auf Popmusik nicht wirklich von Belang ist. Doch die Tatsache, dass Jazz, komplexe Akkordfolgen, Rhythmen oder Harmonien auf so große Ablehnung in der breiten Masse stoßen, zeigt eindrucksvoll die Folgen einer kommerziellen Hör-Konditionierung, offenbart die selektive Wahrnehmung des durschnittlichen Musikhörers, die durch den von der Industrie beabsichigten Reduktionismus des musikalischen „Vokabulars“ hervorgerufen wird. Jazz ist nicht schlechter oder besser als jede andere Musik und die Abneigung gegen Jazz ist keine natürliche. Wie sonst hätte Jazz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der breiten Masse des Westen so erfolgreich sein können? Darüberhinaus lassen sich Adornos Beobachtungen leicht überprüfen und bestätigen. Auch die schiere Existenz des Princeton Radio Project muss schon ein kritisches Bewusstsein für die Thematik hervorrufen – Menschen wurden und werden (nicht nur in der Musikindustrie) zum Forschungsobjekt herabgestuft, „die“ menschliche Psyche (als wäre sie einheitlich) soll für Interessensgruppierungen aus Staat und Wirtschaft entschlüsselt werden, um berechenbare, steuerbare Bürger bzw. Konsumenten zu erhalten. Das klingt dramatisch, ist im Kern aber oft banal. Es geht um machtpolitische und wirtschaftliche Partikularinteressen und die Masse wird zum Erreichen gesteckter Ziele eben Teil eines utilitaritischen Nutzenkalküls. Einflussreiche Menschen haben m.E. eine Verantwortung: die (nicht zu leugnende) soziale und kulturelle Bedingtheit des Menschen nicht übermäßig zu propagieren und noch weiter zu zementieren, sondern den durchschnittlichen Bürger als Individuum anzuerkennen, ihn als freies Wesen zu würdigen und ihm die gleichen Teilhabe- und Gestaltungsmöglichkeiten zugestehen, die man als bekannter Politiker, Wirtschaftsboss oder Medienvertreter ja selber so rege zu gebrauchen weiß. Niemand hat in demokratisch-liberalen Staaten das Recht, für sich selbst eine Willensfreiheit zu beanspruchen und von ihr im eigenen egoistischen Interesse Gebrauch zu machen, allen anderen den Gebrauch des freien Willens aber schleichend abzugewöhnen. Gerade die Musik, kann als Ausdruck individueller menschlicher Schöpfungskraft und gleichzeitig der Bereitschaft zur Harmonie in der Gemeinschaft aufgefasst werden und versöhnt dadurch anarchisches Einzelgängertum und nivellierenden Kollektivismus. Der Musiker bringt seine Persönlichkeit zum Ausdruck und bildet mit seinen Nebenmusikern eine harmonische Einheit, und kann dabei auch noch der Gefühlswelt der Zuhörer Impulse und Inspiration geben. Deswegen sollten die Gefahren von Musik als psychologischer „Waffe“ und ihre gesellschaftspolitischen Implikationen nicht unterschätzt werden.

Quellen:

Adorno, Theodor 2006: Nachgelassene Schriften. Abteilung I: Fragment gebliebene Schriften: Band 3: Current of Music. Elements of a Radio Theory. Band 1/3, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

Cavin, Susan 2008: Adorno. Lazarsfeld & The Princeton Radio Project, 1938-1941, New York.

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DAS HIT-RADIO

Wer sich mit dem klassischen Hit-Radio beschäftigt, kommt um den Namen des Multi-Millionärs Gordon McLendon nicht herum. Er übernahm und perfektionierte das von Todd Storz entwickelte Top 40 Format, und machte es Anfang der 50er massentauglich. Das endlose Senden der kommerziell erfolgreichsten Songs, ist u.a. ihm zu verdanken. Oder habt ihr euch nie gewundert, woher es kommt, dass der Moderationsstil, das Musik-Programm, die Gestaltung der Nachrichten und u.a. das Motto „die 80er, 90er und die Hits von Heute!“, „die meiste Abwechlsung“ (obwohl das Gegenteil der Fall ist) deutschlandweit nahe zu identisch vorzufinden sind? Diese Marketing-Standardisierung basiert letztlich auf McLendons Ideen. Ich bin mir nicht sicher ob es von Interesse ist, aber der Rundfunk Pioneer McLendon war nicht nur ein Freund von US-Präsident Nixon und dem FBI-Gründer J. Edgar Hoover, er war auch Absolvent der Elite Universität Yale und dort Mitglied des Skull & Bones Ordens, zu dessen illustren Mitgliedern Präsidenten, Finanzminister, Banker, Geheimdienstler und andere einflussreiche Leute gehörten. Gordon McLendon war darüber hinaus Mitgründer einer Vereinigung von Geheimdienst-Offizieren. (AFIO)

Sogar sein Schwiegervater James A. Noe, Gouverneur und Ölmagnat, war in geheime und zwielichtige Geschäfte verwickelt. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, gibt es Hinweise auf eine Verwicklung McLendons in das Kennedy Attentat. (Jack Ruby, der Kennedys Mörder Lee Harvey Oswald im Polizeirevier vor laufenden Kameras erschoss, war ein Verehrer McLendons und er war auch der Erste, den er nach seiner Verhaftung anrief.)

Doch kommen wir zurück zum eigentlichen Thema. Mit dem Aufstieg des Hit-Radio-Formats, war es natürlich ein Anliegen der Plattenfirmen geworden, ihre Künstler und deren Werke in der Rotation der Radiostationen unter zu bringen – denn dies garantierte überhaupt erst kommerziellen Erfolg. Den Plattenfirmen war jedes Mittel recht – Bestechung, Schmiergelder. Unter dem Begriff „Payola“ ging das sogar in die Geschichte ein. Ich zitiere aus der Wikipedia:

Payola beschreibt die Bestechung von Disc-Jockeys und Programm-Redakteuren von Rundfunk- und Fernsehsendern durch eine Plattenfirma, die so das häufige Spielen eines bestimmten Liedes durchsetzt.

[…] Erstmals ersichtlich erwähnt wurde der Begriff im Oktober 1938 durch das amerikanische Starmagazin Variety. Hierin wurde das so genannte Cut in aufgedeckt, wobei als Komponisten auch Personen als Urheber eines Musikwerks registriert wurden, die keinerlei kreativen Anteil an dessen Entstehung hatten. Dieser Personenkreis bestand aus Musikproduzenten, Inhabern kleinerer Plattenlabels oder Interpreten. Durch die eigentlich den wahren Autoren allein zustehenden Tantiemen vereinnahmte auch dieser Personenkreis Gebühren, die ihm mangels kreativer Leistung nicht zustanden.

[…] Anfang 1959 hielt der sogenannte Payola-Skandal die US-amerikanische Öffentlichkeit in Atem. Diesmal kam es zu einer Untersuchung der Federal Communications Commission von insgesamt 25 DJs und Redakteuren auf Bestechlichkeit. Zudem verlangte die Kommission von 5300 Radio- und TV-Stationen detaillierte Angaben über deren Sendeverhalten und die damit verbundenen Leistungen unter Eid. Damit brach eine Welle der Hysterie los. Es kam zu Denunziationen, DJs wurden anonym bedroht, Radio- und TV-Stationen überwachten ihre Mitarbeiter oder unterzogen sie einem Test mit dem Lügendetektor. In der Öffentlichkeit förderten die Medien den Eindruck, Payola gebe es nur im Zusammenhang mit dem Rock’n’Roll, oder sei gar erst durch diesen entstanden. (das war natürlich eine Lüge; Anm. des Verf.)

Die zwei bekanntesten DJs, die während des Payola-Skandals beobachtet wurden, waren Dick Clark und Alan Freed. Mit den Anklagen gegen sechs der überwachten DJs und deren Verurteilung 1962 verschwand Payola wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit.

[…] Im Jahr 2005 wurden wieder Bestechungsfälle bekannt. Die Plattenfirma Sony BMG soll mit Urlaubsreisen, Elektronikartikeln, Unterstützung für Hörerwettbewerbe und der Beteiligung an Betriebskosten New Yorker DJs bestochen haben. Im Rahmen eines Vergleichs zahlte Sony BMG im Juli 2005 zehn Millionen US-Dollar, um einen Prozess wegen Payola abzuwenden. Das Plattenlabel Warner Music Group zahlte kaum ein halbes Jahr später fünf Millionen US-Dollar und wendete mit dieser Strafschadensersatzzahlung ebenfalls ein Gerichtsverfahren ab. Die Ermittlungen führte der damalige Generalstaatsanwalt und spätere Gouverneur von New York, Eliot Spitzer.

[…] Auch sonst soll es eine Art „Payola“ immer wieder in Bezug auf Top-40-Radiostationen gegeben haben. Sogenannte „Independent Promoters“ haben von den Plattenfirmen hohe Beträge erhalten, um bestimmte Singles bei diesen Hit-Radios vorzustellen und sie dort ins Programm zu bringen.

Quellen:

Sterling, Christopher 2009: The Concise Encyclopedia of American Radio, New York: Taylor & Francis.

Scott, Peter Dale 1996: Deep Politics and the Death of JFK, University of California Press.

Brewster, Bill / Broughton, Frank 2000: Last Night a DJ Saved My Life: The History of the Disc Jockey, New York: Groove/Atlantic Inc.

Fisher, Marc 2007: Something in the air: radio, rock, and the revolution that shaped a generation, New York: Random House.

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VEREINHEITLICHTE MUSIK

Kommen wir nun zu einer weiteren Studie, die dem bisher Gesagten noch mehr Gewicht verleiht.

Laut einer Pressemitteilung der Agentur Reuters haben spanische Forscher mit Hilfe des großes Archivs Million Song Dataset, Pop Songs von 1955 bis 2010 analysiert. Es heißt:

Ein Team um Joan Serra, einem Spezialisten für Künstliche Intelligenz am Spanish Nation Research Council lies Musik der letzten 50 Jahre durch einige komplexe Algorithmen laufen und fand heraus, dass Pop Songs heute eine höhere intrinsische Lautheit haben und in Bezug auf Akkorde, Melodien und verwendete Sounds, einfältiger geworden sind.

„Wir haben Beweise für eine fortschreitende Homogenisierung der musischen Sprache gefunden,“ hat Serra Reuters mitgeteilt.

„Im Speziellen haben wir numerische Indikatoren gesammelt, die aufzeigen, dass die Vielfalt der Übergänge verschiedener Notenkombinationen – also grob ausgedrückt Akkorde und Melodien – in den letzten 50 Jahren kontinuierlich abgenommen hat.

Sie stellten außerdem fest, dass die sog. Klangfarben-Palette ärmer geworden ist. Die gleiche Note, mit der selben Lautstärke, etwa von einer Gitarre und einem Klavier gespielt, hat fast das gleiche Timbre, d.h. die Forscher fanden heraus, dass moderner Pop eine limitierte Auswahl an Sounds aufweist.

Quelle:

Wickham, Chris 2011: Pop music too loud and all sounds the same – official, London: Reuters

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Ich hoffe, dass mein erster Blog aufschlussreich war und sich eine lebhafte Diskussion zum Thema ergibt! Vieles, was hier beschrieben wurde, mag wohl intuitiv schon jedem klar sein, doch wie heißt es im Englischen: „God is in the details“.

Mein nächster Blog-Eintrag wird sich mit den Loudness-Wars beschäftigen.

Bis bald, Josh.

6 Antworten auf „Musik als psychologische Waffe / Vereinheitlichung und Manipulation

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  1. Klasse! Sehr schlüssig und durch nachvollziehbare Quellen unterstützt. Mein persönliches Empfinden war schon immer, dass nicht nur aus Zufall quasi jeder deutsche FM-Radiosender das exakt gleiche, eintönige Programm sendet. Da zieht auch das Argument, der Sender würde sich an die Bedürfnisse des Hörers anpassen nicht. Der „durchschnittliche“ Hörer ist einfach uninformiert und apathisch und wird dies solange bleiben, wie sein Gerüst aus Gewohnheiten und Konditionierung im Wind der Monotonie und Uniformierung balanciert. Dieses Gerüst der Illusion, von wessen wankender Spitze man den Boden und die Wahrheit der Dinge vergisst, abzubauen, erfordert allerdings ein eigenständiges Denken auf vielen Ebenen. Davon ist die Wahl des emotionalen und informativen Inputs nur eine von vielen.

  2. Vielen Dank! Es freut mich, dass Du dich auf die Texte eingelassen hast. Ich werde dem Blog demnächst einen Artikel über die Frage hinzufügen, inwiefern es Sinn macht, Künstler oder musikalische Werke im Rahmen von Charterhebungen oder Castingshows zu vergleichen und nach vermeintlich objektiven Kriterien zu bewerten… dabei werde ich auch auf die Authentizität der media control Charts eingehen. Ich würde mich über einen wiederholten Besuch auf meinem Blog freuen… ebenso über ein klein wenig „Mundpropaganda“ wenn Du mein Anliegen der Aufklärung in diesem Themengebiet teilst!

  3. Wow, was für ein toller und informativer Artikel. Ich finde mich selber ziemlich darin wieder. Am interessantesten fand ich auch die eigentlich naheliegende Verknüpfung der aktuellen Musikentwicklung mit dem Jazz (ich habe gerade eine Bill Evans Phase). Über einen Artikel, wie du ihn im obigen Kommentar ansprichst wäre ich sehr gespannt!
    Gute Musik bedeutet mir wirklich viel und es ist so eine Tragödie die da sich abspielt. Dies trifft nicht nur auf die Musikindustrie zu, sondern z.B. auch die Fotografie. Ich empfinde die Lieblosigkeit in der Kunst ein wenig wie die zur Wegwerfgesellschaft in der Technik. Es geht einfach nicht mehr um die Sache für sich, sondern um den Konsum. Und der erstreckt sich v.A. in der Unterhaltung auf (beinahe?) sämtliche Lebensbereiche.
    Musik ist meiner Meinung dazu da, Freude zu bereiten. Dies vermag sie aber nur dann, wenn sie nicht Teil des Alltags ist und schon gar nicht, wenn sie nicht aktiv gehört wird.
    Ich finde, es gibt auch unter den bekannten, aktuellen Interpreten viele Gute mit anspruchsvollen Harmonien und liebevoller Produktion. Ich denke da an Patrick Watson, Alt-J, A Liquid Landscape (wohl eher nicht so bekannt), Aufgang (in Skandinavien recht bekannt), (Leslie) Feist, Kings of Convenience, Hans Theessink (eher unbekannt). Aber das sind leider Ausnahmen während des normalen 4-Chord-Alltags.
    Blöd nur: Schlechte Laune nützt Niemandem, auch nicht einem selbst. Konklusio: Seltener hören, auf einem Medium hören, das der Musik gerecht wird, aktiver hören und auf Interpreten beschränken, die einem Freude bereiten 🙂

  4. Ich hab mal eine Top40-Show moderiert. Immer wenn jemand ins Studio kam, haben sie mich gefragt: „Sendest Du überhaupt noch?“ Es war immer totenstill bei mir im Studio (Lautsprecher aus). Ich konnte diesen Pop-Dreck schon nach kurzer Zeit nicht mehr hören.

  5. Ich bin über diesen Artikel gestoßen, weil bei mir im Büro ständig der gleiche Radio Sender von den Kollegen eingestellt wird und den ganzen Tag läuft. OE3 in Österreich ist ein staatlicher Sender des ORF.
    Die Musik welche dort gespielt wird wiederholt sich jeden Tag, Woche für Woche..
    Es gibt Stammtitel und die Hörerschaft wird damit penetriert.
    Ich versuche nun zu verstehen, weshalb einige Kollegen/innen diese fortlaufende Musik Penetration nicht stört und etwa 10 % also die absolute Minderheit wie mich extrem stört.
    Die einzige Schlussfolgerung für mich lautet: die 90 Prozent, welche kein Problem mit der sich wiederholenden Popmusik Auswahl haben sind soweit abgestumpft oder gesellschaftlich angepasst, dass sie es für normal Empfinden.
    Ich denke, dass Popmusik eine Art Waffe ist um Menschen von den echten Problemen abzulenken bzw. soweit wie möglich zu „benebeln“ ähnlich wie mit Alkohol etc.

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